Wenn es um Beikostreifezeichen geht, dann wird eine Zahl immer wieder genannt: 180. 180 Tage nach Entbindungstermin (wichtig bei Kindern, die vor Termin kamen) sollte man mindestens warten, bevor man mit der Beikost startet.
Aber woher kommt diese genaue Tagesangabe wirklich und woher weiß ich, dass die Darmreife dann auch erreicht ist bei meinem Kind? Es hat schließlich keine innere Uhr und jedes Kind entwickelt sich in seinem Tempo. Dieser Frage möchte ich in diesem Blogbeitrag einmal auf den Grund gehen.
Neben den klassischen und von außen sichtbaren Beikostreifezeichen ist vordergründig die von außen nicht sichtbare Darmreife ein wichtiger Punkt, wenn es darum geht, ob dein Kind bereit ist für die Beikost.
Darmreife – Warum gut zu warten?
Der Einfachheit halber sprechen viele Kinderärzte, Hebammen und Kinderernährungsberater hier von 180 Tagen nach dem errechneten Entbindungstermin (ET). Kam dein Kind nach ET auf die Welt, dann sollst du ab dem Geburtstag zählen.
Studien1 haben ergeben, dass 80 % der Kinder mit 180 Tagen die sogenannte zweite Darmreifungsstufe erreicht haben. In einer Toleranz von 25 Tagen davor und 20 Tagen danach erreichen 99 % aller Kinder die Darmreife.
In der zweiten Darmreifungsstufe verändert sich der pH-Wert der Magensäure eures Kindes. Der Magen- und Darmtrakt ist erst dann mit allen wichtigen Bakterien besiedelt und die Darmschleimhaut hat sich ausreichend aufgebaut. Erst dann ist der Verdauungstrakt in der Lage, die Vitamine und Nährstoffe aus etwas anderem als Milch aufzunehmen, zu spalten und zu verarbeiten.
Beginnt man mit der Beikost, bevor der Darm des Kindes reif dafür ist, dann riskiert man unter Umständen sowohl kurzfristige Probleme in Form von Bauchschmerzen, Verstopfungen und Blähungen. Aber auch langfristige Folgen, wie Allergien oder auch das weitverbreitet „Reizmagen-“ respektive Reizdarmsyndrom sind eine Folge von zu früher Beikostgabe.
Schon eine einzige Gabe von Getreideflocken führt zu Veränderungen im Körper eines Säuglings und kann Allergien auslösen.
Verfrühtes Füttern von Obst- und Gemüsebrei kann zudem die so wichtige Eisenaufnahme stören.
Weitere mit einem zu frühen Beikoststart in Verbindung gebrachte gesundheitliche Probleme sind unter anderem Zöliakie, Laktoseintoleranz, eine höhere Infektneigung und ein erhöhtes Risiko für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Empfehlung der WHO zur Darmreife
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, die ersten sechs Monate ausschließlich zu stillen oder, wenn das nicht möglich ist, das Kind mit Säuglingsanfangsnahrung PRE zu füttern.
Ausschließliches Stillen über einen Zeitraum von 6 Monaten hat viele Vorteile für den Säugling und die Mutter.
Frei übersetzt aus dem Englischen, Quelle: WHO Fact Sheet, Infant and young child feeding (Juni 2021)
Sie bezieht sich dabei auf eine relativ kleine Studie3 aus Belarus, in denen der Beikoststart in den unterschiedlichen Monaten bei den Kindern und deren Auswirkung auf das Verdauungssystem beobachtet haben.
Tatsächlich sind die 180 Tage nirgends explizit genannt in dieser Empfehlung, es wird oft nur von dem Satz abgeleitet, dass man die ersten 6 Monate voll stillen sollte.
Andere Empfehlungen sagen, dass man zwischen dem 5. und 7. Lebensmonat mit der Beikost starten sollte, wenn alle Beikostreifezeichen erfüllt sind.4
In jedem Fall sollte man seinem Kind das Essen nicht vorenthalten, wenn es die Bereitschaft dazu zeigt, da man es sonst wiederum auch in seiner Entwicklung unnötig bremsen könnte.
Lesetipp: Die besten Nasensauger für Babys im Test (2022)
Woran erkenne ich die Darmreife meines Babys?
Das ist ja das Tückische an der Darmreife, man kann sie von außen einfach nicht klar erkennen. Ein guter Indikator geben die Beikostreifezeichen. Sind diese erfüllt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch der Darm entsprechend bereit ist für Beikost.
Viele Mamas berichten trotz unveränderter Nahrung (egal ob Muttermilch oder Flaschennahrung) von einer Veränderung des Windelinhalts und der Verdauung. Bei unseren Söhnen hat es zum Beispiel auf einmal sehr übel riechende Blähungen gegeben und kurze Zeit später konnten wir dann mit BLW starten, weil die Reifezeichen erfüllt waren. Ob es Zufall war?
Völlig ausgereift ist der Darm eines Babys, genauer gesagt Kleinkindes übrigens Studien zufolge erst mit ca. 2,5 bis 3 Jahren. Also eine ganz schön lange Zeit, um das Essen zu erkunden.
Beikoststart – Meine persönliche Empfehlung
Wie immer ist es am besten, wenn man sich zunächst auf sein eigenes Mama-Gefühl verlässt. Beobachte das Kind ab dem 5. Lebensmonat sehr genau und achte auf die Beikostreifezeichen.
Du hast das Gefühl, dein Kind erfüllt die wichtigen Zeichen schon ein paar Tage eher? Es kann bereits stabil sitzen und das Essen zielgerichtet mit der Hand selbst zum Mund führen? Dann kannst du auch schon nach 169 Tagen starten.
Das ist ja das Schöne an Baby-Led Weaning: Das Kind zeigt dir durch sein Verhalten, wann es bereit ist, mit der Beikost zu starten.
Theoretisch ist es zwar möglich, direkt mit allen Lebensmittel zu starten, meine Erfahrung mit zwei BLW-Kindern hat aber gezeigt, dass einige Lebensmittel zu Beginn besser funktionieren als andere. Schaue dir hierzu gerne meinen BLW-Fahrplan an.
Jetzt berichtet mal, wie war es bei euch? Wann habt ihr mit BLW gestartet?
Häufig gestellte Fragen zur Darmreife bei Babys
Wann benötigt ein Baby Beikost?
Milch, egal ob Muttermilch oder Flaschennahrung, soll und kann in den ersten zwei Lebensjahren des Kindes die Hauptnahrungsquelle sein. Sobald die Beikostreifezeichen erfüllt sind, kann man langsam mit der Einführung starten. Wichtig: Food under one, is just for fun!
Wie entwickelt sich der Darm des Babys?
Der Darm eines Babys entwickelt sich in Stufen. Erst aber der zweiten Darmreifungsstufe ist der Darm deines Babys auch dazu in der Lage, etwas anderes als Muttermilch zu verwerten. Dies ist meist mit ca. 6 Monaten der Fall.
Was kann ich tun, wenn das Baby nach Beikoststart Verstopfung hat?
Den Beikoststart noch einmal zu pausieren oder zu verlangsamen. Kinder, die mit Verstopfung reagieren, haben meistens zu früh Beikost bekommen, der Darm ist dann noch nicht in der Lage, die Nahrung adäquat zu verarbeiten. Auf keinen Fall solltest du mit noch mehr Brei (z. B. in Form von Pflaumenbrei oder Birnenbrei) dem ganzen versuchen, entgegenzuwirken.
Quellen
1) Studie zur Erhebung von Daten zum Stillen und zur Säuglingsernährung in Deutschland – SuSe II
Autoren: Mathilde Kersting, Nele Hockamp, Constanze Burak, Thomas Lücke
2) WHO (World Health Organization), UNICEF (Hrsg.): Innocenti declaration on the protection, promotion and support of breastfeeding. (1990) http://worldbreastfeedingweek.org/2018/wp-content/uploads/ 2018/07/1990-Innocenti-Declaration.pdf (eingesehen am 30.01.2020)
3) Kramer MS, Matush L, Vanilovich I, Platt R, Bogdanovich N, Sevkovskaya Z et al (2007) Effect of prolonged and exclusive breast feeding on risk of allergy and asthma: cluster randomised trial. BMJ
335(7624):815
4) Kersting M, Przyrembel H: Normale Ernährung von Neugeborenen und Säuglingen. In: Hoffmann GF, Lentze MJ, Spranger J et al. (Hrsg.): Pädiatrie. Grundlagen und Praxis. Springer, Berlin, 5. Auflage (2020), in Druck.
2 Kommentare
Norma Burow
29.06.2022 um 17:06Danke Annika! Nach dieser Angabe und den Erklärungen habe ich gesucht!!
Annika
29.06.2022 um 17:07Danke, das freut mich zu hören. ☺️